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1. Vom großen Interregnum bis zur Reformation - S. 14

1893 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
14 Krö- nung. Monaten zusammen. Die Kurfürsten oder ihre Bevollmächtigten haben durch das ganze Reich freies Geleit. Eiu Kurfürst soll mit nicht mehr als 200 Pferden und 50 Bewaffneten zum Wahltag kommen. Die Frankfurter Bürger (Frankfurt ward damit zum bleibenden Wahlort erklärt) mußten schwören, dieselben zu schützen, auch während der Wahlzeit keine ,Fremden' (außer den Gefolgen der Kurfürsten) in die Stadt zu lassen. Wenn ein Kurfürst zu spät kommt, verliert er für diesmal sein Wahlrecht. Die Wahl beginnt mit einem Gottesdienste. Die Kurfürsten müssen feierlich schwören, ,nach bestem Wissen und Gewissen' einen deutschen König zu wählen, .ohne alles Gedinge, Geschenk, Gabe oder Versprechen'. Als Kurfürsten werden die oben bereits genannten bezeichnet. Die Mehrheit, also vier, entscheidet rechtsgültig. Sind nur vier anwesend, und drei davon stimmen für den vierten, so kann dieser sich selbst die Stimme geben. Die Wahl muß binnen dreißig Tagen vollzogen sein; von da an bekommen die Wähler nur Brot und Wasser. Der Kurfürst-Erzkanzler sammelt die Stimmen. Es stimmen nacheinander: Trier, Köln, Böhmen, Pfalz, Sachsen. Brandenburg, zuletzt Mainz. Die Krönung findet zu Aachen durch den Erzbischof von Köln statt." Die Krönungsfeier schildert folgende Mitteilung: „Nachdem die Salbung vollzogen war, wurde der Kaiser von den Kurfürsten oder deren Stellvertretern in das Wahlzimmer, eine Kapelle, geführt. Der Kurfürst von Mainz blieb beim Altar zurück. Hierbei trugen die Reichserzämter (der Kurfürst v. Brandenburg war Erzkämmerer, der König von Böhmen Erzschenk, der Psalzgraf Erztruchseß und der Kurfürst von Sachsen Erzmarschall) die Insignien oder Reichskleinodien: Strümpfe, Schuhe, Untergewand, Oberkleid, Gürtel, Band, Handschuhe, Krönnngsmantel, die Krone Karls d. Gr., Scepter, Reichsapfel, drei Schwerter, Reliquienkästchen und Evangelienbuch — angeblich aus dem Grabe Karls d. Gr. — vor dem Kaiser her. In der Kapelle angelangt, überreichten die Abgeordneten von Nürnberg die Strümpfe und Schuhe. Der kurbrandenburgische Gesandte legte ihm das lange Unterkleid, das Oberkleid und die Stola (das Band) an, letztere so um den Hals ordnend, daß deren beide Hälften vorn, über der Brust, einander kreuzten, worauf ihm die nürnbergifchen Gesandten die Strümpfe und Schuhe anzogen. So bekleidet, schritt der Kaiser, von dem Wahlgefolge begleitet, wiederum in die Kirche zurück, sich abermals vor den Altar begebend. Inzwischen der hier abgehaltenen Feier, und zwar

2. Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt - S. 49

1900 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
49 der ablehnenden Haltung des schwäbischen Bundes wurden die Ausgleichsbemühungen der Bauern zu nichte. Inzwischen hatte die bäuerliche Bewegung an Umsang und Rückhalt gewonnen. Wie die Wogen einer sturmgepeitschten See überflutete sie ganz Süddeutschland von den Bergen Böhmens bis zum Wasgeu-walde. Hunderttausende von Bauern hatten der christlichen Vereinigung geschworen. Und diese Hunderttausend erhoben mahnend und drohend als Feldgeschrei gleichsam den Rus nach den „Xii Hauptartikeln aller Bauernschaft". In den Xii Artikeln war die Ansicht der Gemäßigten zum Siege gekommen. Bei dem Scheitern des friedlichen Ausgleichs büßten die Gemüßigten ihre bisherige Führerschaft ein. Wie bei jeder Volksbewegung, die einmal in Flnß geraten ohne ihre Wünsche sofort erfüllt zu sehen, gewannen nunmehr auch hier die Entschiedeneren die Oberhand. Ihre Führer gaben von jetzt an der Bewegung Inhalt und Ziel. Es änderte sich damit auch die Weise, in welcher die Bewegung zu Tage trat. Friedliche Mittel hatten sich wirkungslos erwiesen, man griff nun zu Mitteln der Gewalt und des Schreckens. Die Xii Artikel hatten versucht, den Wünschen der Bauernschaft durch eine Umgestaltung der wirtschaftlichen Lage gerecht zu werden. Die neuen Führer bekannten sich zu dem Grundsätze, daß eine Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse nur dann von den Bauern durchgeführt werden könne, wenn die Bauernschaft zuvor eine größere staatsrechtliche Bedeutung im Reiche gewonnen habe. Sie strebten daher eine völlige Umgestaltung der gesamten Reichsverfassung an. So wurde die Bewegung auch auf ganz anderes Gebiet des öffentlichen Lebens übertragen. Und nun erfolgte, was nicht ausbleiben konnte: in mehreren treffen wurden die Bauern völlig geschlagen und nun blutige Rache an ihnen genommen. Die wenigen Rechte, die sie vor dem Kriege hatten, wurden ihnen auch noch genommen: sie durften keine Versammlungen und kein Gericht mehr halten, nicht mehr mitwählen, wenn ein neuer Beamter berufen wurde, und fortan keine Waffen mehr tragen. Damit war den Bauern der letzte Rest der alten Volksfreiheit und damit die Möglichkeit genommen, sich aus eigener Kraft wieder aufzuhelfen. Ein anderer wilder Sprößling der Reformation Luthers war die Sekte ^Die der Wiedertäufer, die zuerst in der Schweiz auftauchte, dann, von da ver- taufet trieben, sich nach Oberdeutschland wandte und namentlich in Straßburgmünster. tauge Boden faßte und zuletzt die Stadt Münster zu ihrem Sitze machte. Deutsche Kulturgeschichte. Iii. 4

3. Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt - S. 43

1900 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
43 Sebastian Lotzer, einem Kürschnermeister aus Memmingen. Dieser, „ein an Beschrift gelehrter und solcher Dinge erfahrener Geselle", war von Ulrich Schmid zum Feldschreiber auserkoren worden. Hochbetrübt und mit weinenden Augen sprachen beide auf die Bauernhauptleute ein. Und um sie vor dem Bündnis mit Herzog Ulrich, das da der Krieg war, zu bewahren, stellten sie den Antrag, daß man mit keinem andern sich in Vertrag und Bündnis einlassen sollte. Ein dritter Sprecher im Sinne der gemäßigten Ansicht war der Prediger Christian Schappeler aus Memmingen. „Mit vielen und mancherlei Beispielen aus dem Alten und Näien Testamente mahnte er", keine That des Aufruhrs zu begehen, die Lösung nicht dem Schwerte anheimzugeben, sondern mit Liebe und Freundschaft sich mit den Herren zu benehmen; sonst werde die Angelegenheit schließlich ihrem eigenen Hause zum Übel aus-schlagen. Allein die gemäßigten Ansichten sanden bei der Mehrheit keinen Beisall; eine Einigung ward nicht erzielt. Darüber war es 5 Uhr nachmittags geworden; damit war nach der Sitte der Zeit die Stunde des Nachtessens gekommen. Nun schied man unverrichteter Sache und in Uneinigkeit voneinander, das Nachtmahl zu nehmen. Ulrich Schmid und seine Gesinnungsgenossen gingen niedergeschlagen und trostlos hinweg; sie konnten die Befürchtung nicht abwehren, die Seebauern und die Allgäuer würden im Zwiespalt von dannen ziehen. Während des Nachtessens indessen gewann auch bei den Seebauern und den Allgäuern bei ernstlicher Erwägung die gemäßigte Ansicht die Oberhand. Sie entsandten Boten zu Ulrich Schmid mit dem Bescheid, daß sie die Vorschläge der Baltringer zu den ihrigen machen und treu an ihrer Seite Leib, Ehre und Gut einsetzen wollten. Daraus gelobten die bäuerlichen Vertrauensmänner bei einer sofortigen Zusammenkunft einander durch Handschlag wechselseitig Treue und wünschten sich und ihrer Sache Glück und Heil. An den nächstfolgenden Tagen fanden ergebnisreiche Beratungen statt. Eine Bundesordnung und eine Landesordnung wurde vereinbart. Im Eingänge der Bundesordnung vom 7. März wird nachdrücklichst hervorgehoben, daß die Bauern sich zu einer christlichen Vereinigung zusammengethan hätten zu niemandes Verdruß und Nachteil, sondern zur Rührung und Wiedererbauung christlicher Liebe. Die Bundesordnung verpflichtet die Teilnehmer, der Obrigkeit in allem gehorsam Zu sein, so weit dies die Satzungen des göttlichen Rechtes gebieten und

4. Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt - S. 201

1900 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
201 schwereres Schicksal über sich heraufzubeschwören." Der Minister Lou-vois, welcher an dem folgenden Tage, dem 29. September, zu Jllkirch eintraf, konnte Monclas' Worte nur wiederholen; in französischem Präsektenton fügte er ihnen allerdings noch jene ofterwähnte Äußerung hinzu, er sei nicht hergekommen, um noch lange Zeit mit Rat und Bürgerschaft zu unterhandeln; er komme nur, um seines Herrn Befehle zu vollziehen! Da die Stadt mit den Absichten des Königs bekannt sei, auch zur Überlegung und zum Entschlüsse volle Zeit gehabt habe, so müsse er auf schleunigste Entscheidung dringen. Wenn bis 7 Uhr abends keine unterwürfige Antwort erfolgt sei, so würden die Bürger Straßburgs nicht allein als Feinde, sondern auch als Rebellen (!) behandelt werden; auch werde bei einer Eroberung keine Schonung stattfinden, sondern vielmehr die Stadt einer Plünderung preisgegeben werden. Würden indessen die Bürger von Straßburg die ihnen in so huldreicher und hochherziger Weise angebotene königliche Gnade annehmen, so sollten sie bei allen ihren Rechten und geistlichen, wie königlichen »Privilegiis« gar wohl erhalten werden. Noch nimmer war so harte Sprache deutschem Bürgertum geboten worden. Erst auf inständiges Bitten ward die Frist bis auf den folgenden Tag, den 30. September, 7 Uhr morgens, verlängert. Mit trüben Gesichtern, langsam einherschreitend, kehrten die Abgeordneten zurück. Aus Veranlassung des Rates versammelte sich die Geistlichkeit, die Zünfte und die Korporationen der Stadt. Niemand fand einen Rat, um die drohende Gefahr abzuwenden, und es gab auch in der That nur jene doppelte Möglichkeit, zu sterben oder sich zu unterwerfen. Das Erstere hatten die deutschen Bürger dieses Säkulums verlernt. Drum klang es düster und verzweifelt jetzt von Mund zu Munde: „Ergebung, •—- unbedingte Kapitulation!" Mit bebender Stimme verkündigte der Stadtmeister von Zedlitz endlich den Beschluß des großen Rates der Gemeinde Straßburgs; er lautete: „Wir übergeben uns an Frankreich!" Es war ein unheilvoller Tag, — ein Tag der Schande in der Geschichte deutschen Bürgertums, jener 30. September, an welchem die Kapitulations-Akte Straßburgs zu Jllkirch unterzeichnet ward. Die nächste Folge dieser feigen That war es natnr- und sachgemäß, daß die Stadt Straßburg ihr Geschütz sowie ihre sehr bedeutenden Kriegsvorräte an Frankreich abtreten mußte. Nachmittags um 4 Uhr zogen dann die fremden Truppen frohlockend in die Stadt ein, welche die

5. Das Zeitalter Friedrichs des Großen, Deutschland in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, Das Zeitalter Kaiser Wilhelms I. - S. 214

1902 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
214 war es denkbar, daß, wenn die Großherzoge und die übrigen Kleinstaaten einmal zusammenhielten, sie den vereinten Widerspruch von Österreich, Preußen und andern Königreichen, ein Zehntel gegen neun Zehntel, überstimmen konnten. So weit wie möglich, lagen innerhalb dieser Versammlung Berechtigung und Macht auseinander. Nur für wenige Gegenstände war eine andere Art der Abstimmung vorgesehen. Dann verwandelte sich der engere Rat, wie die Vereinigung der siebzehn Stimmen amtlich genannt wurde, in ein Plenum, in welchem zum Beschlusse entweder Einstimmigkeit oder eine Mehrheit von zwei Dritteln erforderlich war, und die sechs größten Staaten, welche zusammen 28 Stimmen unter 70 führten, mithin jeden ihnen mißliebigen Beschluß verhindern konnten. Der Geschäftsgang war, wie es bei Verhandlungen zwischen 39 Regierungen nicht anders sein konnte, äußerst schleppend. Jede Sache ging zur Vorberatung an einen Ausschuß; nach dessen Bericht hatten die Gesandten die Instruktion ihrer Höfe einzuholen: über dieselbe hatten in jeder der sechs letzten Kurien zwei, vier, sechs Regierungen sich zu verständigen, worüber oft Monate vergingen; war die ganze Sache einer Regierung lästig, so ließ sie ihren Gesandten unendlich lange ohne Instruktion; sollte schließlich zur Abstimmung geschritten werden, so erschienen neue Vorstellungen und Einwände, neue Instruktionen wurden nötig, oder die Sache ging wieder an den Ausschuß zurück und wurde dann nicht selten jahrelang in dessen Akten begraben. Notgedrungen trat sehr häusig au die Stelle sachlicher Beratung im Bundestage diplomatische Bearbeitung der kleinen Höfe durch die großen, und wo Preußen und Österreich gleiches Ziel verfolgten, wagte sich nur in seltenen Fällen ein Widerspruch hervor. Wie in der alten Zeit entschied also nicht das Verfassungsrecht, sondern das Verhalten der Wiener und Berliner Politik über Deutschlands Geschicke. Was die Stellung Deutschlands zum Auslande betraf, so waren die Bestimmungen der Bundesakte darüber nicht weniger ungenügend als über das innere Staatsrecht. Jeder Souverän war berechtigt, stehende Gesandtschaften zu halten und zu empfangen ; er durfte auch mit nichtdeutschen Regierungen Bündnisse jeder Art unter der einzigen Beschränkung abschließen, daß dieselben nicht gegen die Sicherheit Deutschlands gerichtet seien. Sogar der Soldatenhandel des vorigen Jahrhunderts

6. Das Zeitalter Friedrichs des Großen, Deutschland in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, Das Zeitalter Kaiser Wilhelms I. - S. 217

1902 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
217 wahrer ober irriger Vorstellungen von altbentscher Freiheit, englischem Parlamentsrecht, rabikalen französischen Theorien ist in biefert Schriften nicht zu verkennen; auch sie verfielen dem Hauptfehler des bamaligen europäischen Liberalismus, daß sie in ihrem Eifer um das iubivibuelle Recht die Notwenbigkeit einer-starken Staatsmacht, gerabe zum Schutze jenes Rechts gegen das Versinken in freiheitsmörberische Anarchie, verkannten, und bes-halb auch, wo einmal die Probe gemacht würde, sich ungeschickt zu gebeihlicher Lenkung der Regierung zeigten. Durch bies alles können aber ihre großen Verbienste in schwerer Zeit nicht verbunkelt werben. In ihren Staaten haben sie, um nur einen Moment anzuführen, mit saurer, unermüblicher Arbeit den bnrch lange Willkür und Vergeubuug zerrütteten Staatshaushalt wieber zu fester Orbnuug und Regelmäßigkeit zurückgeführt. Und, was die Hauptsache ist, wie die Burschenschaften den einen Grunbgebanken der Befreiungszeit, die bentfche Einheit, fo haben die sübbeutschen Kammern den andern, Teilnahme des Volkes an dem öffentlichen Wesen, trotz alles Druckes und aller Nieber-lagen im Bewußtsein der Nation ein volles Menschenalter hin-burch lebertbig erhalten, nnb wir müssen ihnen ein ehrenbes Anbenken bewahren, wenn wir heute uns biefer hohen Güter in vollem Umfange erfreuen. Damals aber sollten btefe Bestrebungen eine schwere Katastrophe erleiben. Fürst Metternich war über sie in ieber Beziehung entrüstet. Die Um die beutschert Laube nach Habsbnrgs altem Rechte zu be- Ähre herrschen, ohne zugleich die Pflichten der Herrschaft zu über- wundernehmen, beburfte er ihrer Zersplitterung. Es giebt, sagte er, tn3c*' feinen verruchteren Gebanken als den, die deutschen Völker in ein Deutschland zu vereinigen. Schon beshalb war er der Beschützer der fürstlichen Souveränität und Feind jeber Beschränkung berfetben durch volkstümliche Regung. Aber alles liberale Wesen war ihm überhaupt im Grnnbe bet Seele verhaßt, weil es, einmal in Dentschlanb zugelassen, von bort aus das Stillleben Österreichs hätte stören können. Nach den Einbrücken feiner Jugenb, wo er den Jubel von 1789 in Frankreich g er ab es-wegs zu der blutigen Diktatur von 1793 hatte führen sehen, flössen ihm die Vorstellungen von Liberalismus, Rabikalismus, Kommunismus vollstänbig ineinanber: wenn die Burschenschafter und die liberalen Kammerrebner nicht schleunig beseitigt

7. Das Zeitalter Friedrichs des Großen, Deutschland in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, Das Zeitalter Kaiser Wilhelms I. - S. 220

1902 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
220 habe. Offenbar aber griffen die Befchlüffe dem ersten und höch-sten Grundsätze der Bundesakte, der Unabhängigkeit der Einzelstaaten, an das Leben. Denn wenn man den Begriff der Sicherheit so weit ausdehnen durfte, wie hier geschehen, so konnte man von Bundeswegen, wo es nötig schien, ebensowohl wie Schule und Presse, auch Straf- und Prozeßrecht aller Einzelstaaten regulieren und zuletzt sämtliche Polizisten und Soldaten derselben in Eid und Pflicht der Bundesgewalt nehmen, alles zum Schutz der innern Sicherheit. Auf diesem Wege eröffnete sich für Kaiser Franz die Aussicht, nicht gerade, wie Metternich jubelte, die Stellung eines deutschen Kaisers zu gewinnen, wohl aber der Chef einer allmächtigen deutschen Polizei zu werden. Es war ein energisches Heilverfahren, welches Metternich zur Beschirmung der deutschen Souveräne gegen die demagogische Seuche anzuwenden gedachte. Die Frage war nur, ob den Patienten das Heilmittel nicht gefährlicher als die Krankheit erscheinen würde. In der That war eine große Anzahl der deutschen Höfe trotz ihres Abfcheues gegen Demagogen und Zeitungsschreiber mit dem Karlsbader Staatsstreich wenig zufrieden. Mehrere mißbilligten den Inhalt der dort gefaßten Beschlüsse, fast alle zürnten über die Rücksichtslosigkeit und Rechtswidrigkeit des Verfahrens. Selbst Bayern und Württemberg, welche doch so tapfer in Karlsbad mitgearbeitet hatten, empfanden nachher Bedenken über die Tragweite der dort bethätigten Grundsätze und die möglichen Konsequenzen für die Unabhängigkeit der Einzelstaaten. Unter diesen Umständen wurde eine in Berlin sich vollziehende Wendung entscheidend. Nicht aus Abneigung gegen Österreich, sondern ans Momenten der innern Politik ging sie hervor. Zwei große Fragen kamen dabei in Betracht. Das berühmte Gesetz vom 22. Mai 1815 hatte Preußen einr reichsständische Verfassung in Aussicht gestellt, zeitgemäße Neugestaltung der Provinzialstände und aus diesen hervorgehend eine Repräsentation des Volkes, Reichsstände mit beratender Stimme bei Gesetzen über Person und Eigentum, einschließlich der Besteuerung. Es war ein sehr mageres Gericht für den Hunger der liberalen Parteien: Volksvertreter, nicht vom Volke gewählt, mit enger Kompetenz und innerhalb derselben nur mit beratender, nicht mit beschließender Stimme. Indessen, wie immer beschaffen, eine Verfassung hatte das Gesetz dem Volke

8. Das Zeitalter Friedrichs des Großen, Deutschland in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, Das Zeitalter Kaiser Wilhelms I. - S. 222

1902 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
222 des die Wiener Schlußakte, überall im Sinne eines gemäßigten Partiknlarismns. Die Angriffe auf das preußische Zollsystem scheiterten vollstäubig. Die Klagen bagegen würden zur geschäftsmäßigen Behandlung an den Bnnbestag verwiesen. Tie Einsetzung eines Buubesgerichts, wo die Gegner ihre Prozesse gegen das preußische Zollgesetz anhängig gemacht hätten, würde verhiubert. Zu dem im 11. Artikel der Buubesakte festgestellten Bünbnisrecht der Einzelstaaten erlangte Bernstorfs noch einen Zusatz im 6. Artikel der Schlußakte, nach dem „eine freiwillige Abtretung auf einem Buubesgebiete hafteuber Souveräuitäts-rechte ohne Zustimmung der Gesamtheit nur an einen Mitver-bünbeteu geschehen", an biesen also ohne weiteres erfolgen könne. Damit waren künftige Zollvereinsverträge Preußens gegen die Anfechtung durch den Bnnb gesichert. Bon Metternichs Wünschen, die lanbstänbischen Verfassungen der Einzelstaaten der Gesetzgebung der Buubesgewalt zu unterwerfen, geschah überhaupt keine Erwähnung, vielmehr würde in einer Reihe von Artikeln das gerabe Gegenteil verfügt. Zwar wurde die Unverletzlichkeit des monarchischen Princips sehr bestimmt betont und nicht minber ansbrücklich erklärt, daß kein Fürst durch tanbftänbifche Beschlüsse an der Erfüllung seiner Bunbespflichten gehindert werben bürte. Daneben aber würde die Pflicht der Souveräne zur Einrichtung lanbstänbischer Verfassungen wiederholt anerkannt, die Regelung der stänbischen Rechte als innere Lanbesangelegenheiten den Einzelstaaten überlassen, das Eingreifen des Bundes in ständische Angelegenheiten ans Fälle des Aufruhrs beschränkt, und der Grundsatz ausgesprochen, daß die trt anerkannter Wirksamkeit bestehenden Vertagungen nur auf verfassungsmäßige Weise geändert werden könnten. Es hatte alfo, herausgefordert durch die rechtlose Anspannung der Bundesgewalt in den Karlsbader Beschlüssen, der Par-tikularismus wieder den Boden behauptet und war im Gegensatz zu der so beschaffenen Bundesgewalt dieses Mal den liberalen und nationalen Interessen zu gute gekommen. Dadurch erfrischt und ermutigt, erhob er sich gleichzeitig auch in seiner eigentlichen Residenz, dem Frankfurter Bundespalast, zu weitern Triumphen, welche zwar manchen liberalen Gelüsten entsprachen, die großen nationalen Bedürfnisse aber in schmählicher Weise mißachteten.

9. Das Zeitalter Friedrichs des Großen, Deutschland in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, Das Zeitalter Kaiser Wilhelms I. - S. 231

1902 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
231 ober zu Bette. Es war auch nicht bloß der Druck der Polizei und der Censur, welcher die Menschen so zahm und friedfertig machte. Die große Masse des Volkes begann soeben erst sich aus der Not und Verarmung der Kriegszeit wieder zu einigem Wohlstand empor zu arbeiten; bei den meisten lastete die Sorge um das tägliche Brot schwerer auf den Herzen als der Kummer über den politischen und nationalen Zustand, und auch in den süddeutschen Kammern sand damals eine Verhandlung über Gewerbepolizei aufmerksamere Hörer als eine Klage über Censur oder politische Prozesse. Mit einigem Geschick konnte jede Regierung bei solchen Stimmungen ohne Schwierigkeit die Leitung ihrer Kammern gewinnen. Wohl hielt die liberale Opposition ihr Banner aufrecht, bedeutende Erfolge aber, wie in der ersten Freude der Gründungsjahre, hatte sie nicht aufzuweisen und um so mehr über die Gleichgültigkeit ihrer Mitbürger zu klagen, womit denn zusammenhing, daß ihre hitzigern Köpfe im Urteil immer radikaler und in dem Abfcheu gegen den bestehenden Zustand immer grimmiger wurden. Aber einen bemerkbaren Einsluß gewannen sie nicht; soweit der Blick reichte, lag eine tiefe politische Stille über ganz Deutschland. Zu allen Zeiten aber hat die Jugend radikaler gedacht als das Alter, weil sie mehr in der Zukunft als in der Gegenwart Burlebt und die Mächte des Beharrens in der historischen Welt noch Saft, wenig zu würdigen weiß. Es bleibt aber immer ein Zeichen krankhafter Zustände, wenn die Kluft zwischen den Gedanken der Alten und der Jungen sich allzu sehr erweitert und die schwärmende Begeisterung der Jünglinge mit der nüchternen Thätigkeit der Männer gar nichts mehr gemein hat. Ein solcher innerer Zwiespalt begann sich nach dem Frieden in Norddeutschland zu zeigen. Die jungen Männer, die im Waffenschmncke den Anbruch ihres eigenen bewußten Lebens und den Anbruch ihres Vaterlandes zugleich genossen oder auf der Schulbank klopfenden Herzens die Kunde von den Wundern des heiligen Krieges vernommen hatten, waren noch trunken von den Erinnerungen jener einzigen Tage; sie führten den Kampf gegen das Welschtum und die Zwingherrschaft im Geiste weiter und fühlten sich wie verraten und verlauft, da nun die Prosa der stillen Friedensarbeit von neuem begann. Wie sollten sie verstehen, welche quälenden wirtschaftlichen Sorgen den Älteren die Seele belasteten? In alten Zeiten — so etwa lautete die

10. Das Zeitalter Friedrichs des Großen, Deutschland in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, Das Zeitalter Kaiser Wilhelms I. - S. 321

1902 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
321 sichern, begab sich Li>t 1835 nach Magdeburg, und die Kaufmannschaft, die erst vor sechs Jahren alle Eisenbahnpläne abgewiesen hatte, nahm ihn jetzt mit offenen Armen auf; allen voran der wackere Oberbürgermeister Francke, einer der angesehensten Bürger der Monarchie, denn wie im Süden die Abgeordneten, so galten im Norden die Gemeindebeamten, Kos-poth in Breslau, Bärensprung in Berlin, Demiani in Görlitz, als die eigentlichen Volksmünner. Die Magdeburger rühmten sich; unsere Eisenbahn nach Leipzig wird die erste Bahn der Welt sein, welche die Grenzen verschiedener Staaten durchschneidet! Francke trat an die Spitze eines Ausschusses und sandte nach Berlin eine Eingabe, welche das Ministerium zwang, die Eisenbahnfrage ernstlich ins Auge zu fassen. So brachte List auch tu Preußen die Kugel ins Rollen. Die Verhandlungen währten sehr lange. Eine Kommission aus Räten aller Ministerien ward gebildet; der Kriegsminister sendete einen seiner besten Offiziere, den gelehrten Oberst Peucker. Dann beriet das Staatsministerium, endlich noch der Staatsrat. Der Streit ward sehr lebhaft; die alten Minister hegten Zweifel, die jüngeren, Rochow, Mühler, Alvens-lebett hielten zu dem Kronprinzen, weil sie der Zukunft vertrauten. Der Gegenstand war noch so neu, so unberechenbar, so gänzlich unerprobt, daß niemand sich einen Sachkenner nennen durfte und die tüchtigsten Männer in ihren Meinungen sehr weit auseinander gingen. Der geniale Beuth, der doch noch in seinen besten Jahren stand und sonst jeden technischen Fortschritt mit Feuereifer begünstigte, betrachtete die Eisenbahnen sehr-mißtrauisch. Ihr erklärter Gegner aber war General Aster, der erste militärische Ingenieur des Zeitalters, obwohl er doch selbjt bei seinen <vestungsbauten schon oft kleine Eisenbahnen in Betrieb gesetzt hatte. Er meinte; „die Eisenbahnen halten wegen der Kostbarkeit der Anlage und einer ziemlichen Ausschließlichkeit des Gebrauchs mit anderen weit wohlfeileren und in ihrer Anwendung teilbaren Erfindungen, wie z. B. Buchdruck und Schießpulver, den Bergleich nicht aus." Militärisch brauchbar feien sie nur dort, ,,wo zufällig die Wege für den Krieg mit denen für die Industrie angelegten Bahnen zusammenpassen"; ein Eisenbahnnetz nütze militärisch nichts, weil es von der leidenden Partei bald außer Betrieb gesetzt würde, auch der aktiven Partei zu wenig Sicherheit gewähre; und woher sollten die Deutsche Kulturgeschichte. Iv. 21
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